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Beitrag vom 24.03.2010
25. Forum Globale Fragen am 23. März 2010 - Frauen als Akteure in Friedensprozessen - 10 Jahre VN-Sicherheitsresolution 1325
Undine Zimmer
Die diesjährige Konferenz stand unter dem Motto: Frauen, Frieden und Sicherheit. In 2 Panels wurde von 6 Frauen und 2 Männern, die aktiv in Friedensprozessen teilgenommen haben, heftig diskutiert...
.... inwieweit es eine weibliche Art gibt, Konflikte zu lösen und welche Hürden Frauen heute noch immer nehmen müssen, um am Verhandlungstisch zu sitzen.
Unter der Leitfrage: "How do women get engaged in the peace missions?" wurde auf dem 25. Forum für Globale Fragen in zwei Panels mit VertreterInnen von Militär, Friedensorganisationen und den Vereinten Nationen diskutiert, was sich seit dem 10-jährigen Jubiläum der Resolution 1325 für Frauen in Friedensmissionen verändert hat.
Ist es ein Klischee, dass Frauen den harten Friedensverhandlungen ein menschliches Gesicht geben? Ist das Lächeln einer Frau eine strategische Verhandlungsmethode oder nur eine Bestätigung einer Rollenzuschreibung? Ist das überhaupt relevant, wenn es gute Resultate bringt? Ohne sich direkt dafür auszusprechen, wurde in beiden Panels von Männern und Frauen doch davon ausgegangen, dass es bestimmte weibliche Eigenschaften und Qualifikationen gibt, und dass sich auch die Vorgehensweise ändert, wenn Frauen beteiligt werden.
Das erste Panel bezog sich auf die Frage ob Frauen neue Rollen und Rechte in Friedensprozessen einnehmen.
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© Undine Zimmer, AVIVA-Berlin |
Es diskutierten:
Leymah Gbowee (Women Peace and Secrurity Network, Africa, Accra, Ghana),
Botschafterin Heidi Tagliavini (Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten, Sondergesandte des VN-Generalsekrtärs), Moderatorin
Almut Wieland-Karimi (Zentrum für internationale Friedenseinsätze ZIF),
Luz Mendes (National Union of Guatemalan Women) und
Joyce Neu (Leiterin des UN Standby Team of Mediation).
Fragen wie
welche Rolle spielen Frauen am Verhandlungstisch und wie kommen überhaupt dorthin? wurden im Panel häufig mit persönlich gesammelten Erfahrungen beantwortet. Heidi Tagliavini sprach einleitend über das persönliche Risiko,
Vorurteile und weiblichen Charme als Verhandlungsmittel. Leymah Gbowee ernannte sich zur
"Pessimistin der Runde", und machte als Einzige ihrer
Enttäuschung über die Resolution 1325 Luft. Große Hoffnungen hatte sie im Jahr 2000 mit ihren Mitstreiterinnen auf diese Resolution gesetzt, als diese vor zehn Jahren in Kraft trat. Im Friedensprozess in Liberia wurde ihre Organisation von Friedensaktivistinnen von der mangelnden Unterstützung der VN bei Umsetzung der Resolution 1325 oftmals enttäuscht. Eine Erfolgsgeschichte hatte dagegen Luz Medes aus Guatemala zu berichten. Vier Jahre lang war sie die einzige Frau am Verhandlungstisch des 13 jährigen Friedensprozesses in Guatemala gewesen:
"I was feeling unempowered to be the only woman at the table." Jeder der Frauen im Panel hatte dieses Gefühl der Machtlosigkeit im Laufe ihrer Karriere einmal erfahren.
Trotz der unterschiedlichen Gewichtungen kamen die Panelistinnen auf gemeinsame Nenner:
Theoretische Expertise und praktisch gesammeltes Wissen müssen in jeder Krisensituation abgeglichen werden. Wenn das Wissen und Engagement der lokalen AkteurInnen weniger gewertet wird als die Expertise von "importierten" ExpertInnen und FriedensverhandlerInnen, dann werden nachhaltige Chancen zur Konfliktlösung verschenkt.
Ernüchternd fanden die Diskussionsteilnehmerinnen, dass die VN, abhängig von den Regierungen mit denen sie kooperieren, nicht immer frei und unpolitisch handeln können, woraus oft die Frustration der zivilen Organisationen über die Friedenstruppen rührt.
Gender-Issues, dürfen nicht nur für sich alleine stehen, sondern müssen mit den aktuellen politischen Themen verknüpft werden, die auf der Tagesordnung der Friedensverhandlungen stehen. Alle Panelistinnen waren sich einig, dass die Genderfragen auch nicht losgelöst, sondern innerhalb anderer wichtiger Fragen verhandelt werden müssen.
Ebenso sollten Frauen nicht nur in ihrer Eigenschaft als Frau in den Verhandlungen sitzen, sondern als Vertreterinnen verschiedener Bereiche.
"include locals!" forderte vor allem Leymah Gbowee immer wieder und plädierte dafür, dass es in Krisensituationen in jeder Gesellschaftsstruktur einen mindestens minimalen Handlungsraum für die lokalen Frauen gibt, das in den Friedensprozess integriert werden muss.
Das zweite Panel beschäftigte sich mit der Frage: "Warum brauchen wir (mehr) Frauen in Friedensmissionen?".
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© Undine Zimmer, AVIVA-Berlin |
Es diskutierten: Oberstleutnant i.G. Claes Bitterlich (Swedish Armed Forces, Einsatzplanung Afghanistan), Comfort Lampetey (Gender Advisor UN-Department of Peacekeeping Operations), Moderatorin Constanze Stelzenmüller (The German Marshall Fund of the United States), Pirjo Jukarainen (Senior Research Fellow, Tampere Peace Research Institut TAPRI), Oberstleutant i. G. Ekkehard Griep (Planungsstab im Bundesministerium der Verteidigung).
Die PanelistInnen sollten sich vor allem dazu äußern, wie ihre Organisationen die in der Resolution 1325 geforderten Maßnahmen umgesetzt haben. Unter anderem ging es um praktische Fragen der Rekrutierung von mehr Frauen für militärische Friedensmissionen. Anschauliche Beispiele, wie etwa verstärktes Fahrtraining zu einer rapiden Steigerung der Frauenquote führte, konnte Comfort Lampetey aus ihrer Arbeit berichten. Vor allem Pirjo Jukarainen hatte jedoch viele Kritikpunkte: mangelnde Kooperationen zwischen Zivilen AkteurInnen und den Blauhelmen, mangelnde Rücksicht auf Gender-Kompetenzen oder hierarchische, traditionelle, sowie praktische Widerstände, auf die Frauen in Friedenseinsätzen treffen. "Mindestens 30% Frauen in allen Instanzen." war Jukarainens abschließendes Statement. Nicht nur im Ausland müssten dabei die Forderungen der Resolution 1325 verbessert werden - auch zu Hause. Denn wie Jukarainen bemerkte, sitzen immer noch zu wenig Frauen in führenden Positionen der Institutionen von EU und VN.
AVIVA-Berlin zieht ein Fazit des 25. Forums Globaler Fragen
Nach 10 Jahren Resolution 1325 ist viel passiert, aber noch lange nicht genug. Frauen dürfen in die Bundeswehr, Schweden hat als einziges Land mehr Frauen in Auslandseinsätzen als im Inland, aber immer noch sind Frauen zu selten in den Positionen an der Spitze der Hierarchie. Gender-Fragen fließen immer mehr in die Arbeit am Friedensprozess und in die Richtlinien für die Friedenseinsätze der VN ein. Was längst selbstverständlich sein sollte, wird langsam Realität. Und trotz allem scheint auch in den Top-Positionen die Binarität Männlich-Weiblich erhalten zu bleiben. Wenn man Leymah Gbowee zuhört, muss das jedoch nicht unbedingt immer ein Nachteil sein.
Weitere Infos zu Konferenz finden Sie unter:
www.auswaertiges-amt.de
Weitere Infos zum Thema: www.zif-berlin.org
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